Sie freut sich aufs Musizieren

Klassisch ausgebildete Geigerin und Volksmusikerin Barbara Betschart übernimmt ab 1. September Leitung des ZAV Gonten

«Es fällt mir nicht leicht das Roothuus und das florierende Zentrum für Appenzellische  Volksmusik nach zwei Jahren wieder verlassen zu müssen», gab Florian  Walser im Juni bekannt. Er freut sich aber, dass er den Stab des Geschäftsführers  einer versierten Kollegin weiterreichen  darf: Barbara Betschart, Innerschweizer  Volksmusikerin, klassisch ausgebildete Geigerin, Musiklehrerin und Musikschulleiterin.

Offiziell nimmt Barbara Betschart den Faden  als Geschäftsführerin des Zentrums für Appenzellische Volksmusik (ZAV) im Roothuus in Gonten am 1. September auf. Am Tag des Denkmals, am Sonntag 14. September, wenn der 250. Geburtstag des Roothuus gefeiert wird, kann man sie auch als Musikerin kennenlernen: als Geigerin im Ensemble «Brandhölzler Striichmusig». Und im Oktober werden der Abschied von Florian Walser und der Neubeginn von Barbara Betschart mit einer  vielfältigen «Stobede» gefeiert, mit Musikerinnen und Musikanten aus der Innerschweiz und dem Appenzellerland.

Wohlwollen und Unterstützung

Der Grund für seine Kündigung als Geschäftsführer  des ZAV nach nur zwei Jahren ist ein «Luxusproblem», erklärt Florian Walser. Es war ihm nicht möglich zur Teilzeitstelle im ZAV eine zweite 50 Prozent-Anstellung zu finden. Das Tonhalle-  Orchester Zürich verpflichtete ihn nun nach einer befristeten Teilzeitanstellung  zu 50 Prozent wieder zu 100 Prozent im Orchester zu arbeiten. Er sei ohne fixe Vorstellung nach Appenzell  gekommen, sagt der Nachfolger von Joe Manser, der das ZAV ab 2006 aufgebaut  und geführt hat. Es sei einfach gewesen,  sich in Gonten und in Innerrhoden heimisch zu fühlen. Im Dorf lerne man die Menschen rasch kennen; man spüre das Wohlwollen, das die Gontner dem Rothuus entgegenbringen, rundherum. Es gebe viele «guten Geister», erzählt Florian  Walser – der Nachbar der ohne Auftrag  stets frische Blumen vors Haus stelle zum Beispiel. Er habe sich im alltäglichen Leben gut unterstützt gefühlt. Musikalisch sei es für ihn als Klarinettisten nicht so einfach gewesen, sich einzubringen. Sein Instrument  kommt in der typischen Appenzeller  Volksmusik nicht vor. Als Auswärtiger das Vertrauen der etablierten Musikanten  und Musikerinnen zu gewinnen, sei eine Herausforderung. Das gibt er auch seiner Nachfolgerin Barbara Betschart mit auf den Weg. Sie hat den Vorteil, dass die Violine zur klassischen Appenzeller Streichmusik gehört. Barbara Betschart, aufgewachsen in Schwyz, kennt die Region seit ihrer Kindheit.  Ihre Eltern, beide in der «Trachtenszene  » engagiert, verbrachten mit ihren Kinder viele Ferien in Schwende und Appenzell.  Und selbstverständlich besuchte man dann Heimatabende und «Stobede».

Forschung und Projekte

Sie habe zwar einige Ideen im Kopf, wolle aber vordringlich die Projekte weiterführen,  die Florian Walser übernommen oder aufgegleist hat: das Forschungsprojekt  zum Naturjodel, die Kurse für Appenzeller  Musik – eine grosse Sache mit einem Budget von 25 000 Franken – und das aktuelle Jodel Solo-Projekt das Noldi  Alder entwickelt hat. Wie ihr Vorgänger  sieht sie es als eine der wichtigsten Aufgaben an, im ZAV eine Atmosphäre zu schaffen, damit Musikantinnen, Musiker, Jodler, Sängerinnen und Gäste sich hier wohl fühlen. Barbara Betschart bringt als ehemalige Musikschulleiterin administrative Erfahrung  mit. Sie sagt: «Die Schnittmenge  von dem was im Roothuus gefragt ist, dem was ich mir wünsche und dem, was ich im Rucksack habe, ist relativ hoch». Am ehesten brauche sie Unterstützung bei der Forschungsarbeit, meint sie. Es gäbe die Möglichkeit, ihr allenfalls eine Fachkraft  zu Seite zu stellen. Auch jetzt arbeiten  immer wieder Fachpersonen projektbezogen  am ZAV. Ausserdem wird die Geschäftsleitung unterstützt von Teilzeitmitarbeitenden  wie Matthias Weidmann auf fachlicher Ebene und Maya Stieger in der Administration. Erika Koller kümmert  sich um die zur Zeit sehr lebendigen Bereiche Zither und Volkstanz.

Zusammenrutschen

Florian Walser wendete am meisten Zeit und Energie auf für die Vermittlung und für den Aufbau der neuen Website des ZAV. Seit ihrem Studium unterrichtet Barbara  Betschart; ihr liegen pädagogische Themen am Herzen, sagt sie.

Während Florian Walser eher den Boden und die Bühne für Anlässe wie das Ländler-  Klavier-Fest Gonten oder die erste Archivstobede  bereitete, freut sich Barbara Betschart vor allem auf das gemeinsame Musizieren. «Ich möchte viele einheimische  Musikantinnen und Musiker kennenlernen,  von ihnen lernen und mit ihnen spielen». Als Kind ist sie manchem legendären  Appenzeller Musikanten begegnet – «dem «chlinn Fochsli», Alders Jock, Hornsepp,  Ueli Alder» zählt sie auf. Seit Juli ist Barbara Betschart immer wieder  einige Tage in Gonten, um sich von Florian Walser einarbeiten zu lassen. Später  wird sie mindesten zwei Tage pro Woche  im Roothuus anzutreffen sein. «Das Pendeln von und nach Schwyz ist jedesmal eine schöne Drei Pässe-Fahrt», lacht sie. Sie freue sich darauf ihre Persönlichkeit einbringen zu können und ortet wie Florian  Walser kreativen Freiraum bei den Veranstaltungen und Ausstellungen. Ihre Hauptaufgabe sieht sie darin, das Gute das ihre Vorgänger erarbeitet haben,  zu erhalten und weiter zu entwickeln.  Die 48-Jährige will Kooperationen verstärken, zum Beispiel mit dem Haus der Volksmusik Altdorf oder mit der Musikhochschule  Luzern (ihr Mann der bekannte  Schwyzerörgeli-Virtuose Markus Flückiger unterrichtet dort) und weiteren Institutionen. Auch eine intensivere Zusammenarbeit mit der «Klangwelt Toggenburg» wird umgesetzt. Das obere Toggenburg ist beteiligt am ZAV und gehört zum selben Kulturraum am Säntis wie das Appenzellerland.  «Wir gehören doch alle zusammen  », sagt Barbara Betschart.

Florian Walser und Barbara Betschart gestalten den Wechsel in der Geschäftsleitung des Zentrums für Appenzellische Volksmusik in Gonten fliessend und gemeinsam.

     (Bild + Text: Monica Dörig)

Qualle: Appenzeller Volksfreund

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